Zeitliche Anwendung der abgesenkten Umsatzsteuersätze
- a) Leistungszeitpunkt
Die abgesenkten Umsatzsteuersätze von 16 % bzw. 5 % sind auf die Lieferungen, sonstigen Leistungen, den Eigenverbrauch und die innergemeinschaftlichen Erwerbe anzuwenden, die nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021 ausgeführt werden. Maßgebend ist dabei für die Anwendung des neuen Steuersatzes stets der Zeitpunkt, in dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird. Wann eine Leistung als ausgeführt gilt, hängt von der Art der Leistung ab:
- Eine Lieferung wird im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht (i.d.R. bei Übergabe) an den Erwerber ausgeführt. Im Falle der Versendung oder Beförderung einer Ware markiert der Transportbeginn den Leistungszeitpunkt.
- Bei einer Werklieferung und einer Werkleistung (z.B. Beratungsleistung, Handwerkerleistung, Dienstleistung) kommt es auf den Abschluss der Arbeiten und die Abnahme durch den Erwerber an.
Hinweis:
Gerade bei Werkleistungen, die sich vielfach über einen längeren Zeitraum hinstrecken, ist die Bestimmung des Leistungszeitraums entscheidend. Maßgeblich sind mithin der Abschluss bzw. die Abnahme der Leistung. Dies gilt auch, wenn Leistungsbeginn für eine Werkleistung oder Dienstleistung bereits vor dem 1.7.2020 ist, die Leistung jedoch bis zum 31.12.2020 ausgeführt wird. Andererseits unterliegen Leistungen, die ab dem 1.7.2020 beauftragt oder begonnen werden, aber erst nach dem 31.12.2020 beendet werden, dem in 2021 wieder geltenden Steuersatz von 19 % bzw. 7 %. Der Abschluss der Leistung bzw. die Abnahme sollte tunlichst z.B. in einem Abnahmeprotokoll dokumentiert werden. Bei Leistungen an Privatpersonen oder an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer kann aktuell zu prüfen sein, ob der Zeitpunkt der Beendigung/Abnahme bis nach dem 30.6.2020 hinausgeschoben werden kann.
- Dauerleistungen gelten mit Beendigung des vereinbarten Leistungszeitraums als ausgeführt (zu Einzelheiten siehe Tz. 10).
Unmaßgeblich ist der Zeitpunkt der Auftragserteilung, der Ausstellung der Rechnung oder der Vereinnahmung des Entgelts. So besteht auch insbesondere keine Verpflichtung, bis zum 30.6.2020 die zum bis dahin geltenden Umsatzsteuersatz von 19 % bzw. 7 % erbrachten Leistungen auch bis zum 30.6.2020 abzurechnen. Die Abrechnung kann vielmehr auch später – unter Berücksichtigung des bei Leistungserbringung maßgeblichen Umsatzsteuersatzes – erfolgen. Ebenso ist nicht entscheidend, ob die Umsatzsteuer wie im Regelfall nach vereinbarten Entgelten oder nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) berechnet und gegenüber dem Finanzamt erklärt wird.
Hinweis:
Im Rahmen der Steuersatzerhöhung kommt der Angabe des Leistungszeitpunkts bzw. Leistungszeitraums in der Rechnung besondere Bedeutung zu. Es dürfen sich keine Widersprüche zum angewendeten Steuersatz ergeben. Ausreichend ist hier die Angabe des Kalendermonats. Bei Eingangsrechnungen sollte dies stets sorgfältig überprüft werden.
- b) Abrechnung von Anzahlungen
Erteilt der Unternehmer Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis über Teilentgelte (Anzahlungen oder Abschlagszahlungen), so ist grds. in der Anzahlungs-/Abschlagsrechnung der Steuersatz anzuwenden, der zu diesem Zeitpunkt gilt. Allerdings unterliegt die Lieferung oder Leistung, die dann auf dieser Basis später ausgeführt wird, dem Steuersatz bei Ausführung der Lieferung oder Leistung – siehe vorstehend Tz. 3. Insoweit erfolgt dann eine Anrechnung der in der Anzahlungs-/Abschlagsrechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer.
Beispiel
Ein Handwerker soll eine umfangreiche Heizungsmodernisierung durchführen. Die Auftragserteilung erfolgt im Juni 2020. Auf Grund von ersten Materiallieferungen wird am 10.6.2020 auch bereits eine Abschlagsrechnung gestellt über
Abschlagszahlung für Materiallieferung |
10 000,00 € |
zzgl. 19 % USt |
1 900,00 € |
Abschlagssumme brutto |
11 900,00 € |
Die Fertigstellung der Handwerkerleistung erfolgt im August 2020. Diese wird dann wie folgt abgerechnet:
Rechnungsbetrag gesamt |
30 000,00 € |
zzgl. 16 % USt |
4 800,00 € |
Rechnungsbetrag |
34 800,00 € |
Abrechnung:
Netto |
USt |
Brutto |
|
Rechnungsbetrag |
30 000,00 € |
4 800,00 € |
34 800,00 € |
abzgl. Abschlagsrechnung 10.6.2020 |
10 000,00 € |
1 900,00 € |
11 900,00 € |
verbleiben |
20 000,00 € |
2 900,00 € |
22 900,00 € |
Hinweis:
Im Ergebnis unterliegt also die gesamte Leistung dem Umsatzsteuersatz, der im Lieferungs-/Leistungszeitpunkt anzuwenden ist. Eine Korrektur der Umsatzsteuer in der Abschlagsrechnung ist nicht vorzunehmen. Die Korrektur der Umsatzsteuer erfolgt in der Schlussrechnung, was dann auch zu einer negativen Steuer führen kann.
Ist der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt, so ist die in der jeweiligen Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen, wenn er die Rechnung erhalten und soweit er die verlangte Zahlung geleistet hat. Einer Berichtigung des Steuerausweises in diesen (Anzahlungs-)Rechnungen bedarf es nicht, wenn in einer Endrechnung die Umsatzsteuer für die gesamte Leistung oder Teilleistung mit dem ab 1.7.2020 bis 31.12.2020 geltenden Umsatzsteuersatz von 16 % bzw. 5 % ausgewiesen wird.
Aus Vereinfachungsgründen lässt es die FinVerw aber auch zu, dass in Rechnungen, die vor dem 1.7.2020 über die vor diesem Zeitpunkt vereinnahmten Teilentgelte für nach dem 30.6.2020 erbrachte stpfl. Leistungen oder Teilleistungen ausgestellt werden, die Umsatzsteuer nach dem zwischen 1.7.2020 und 31.12.2020 geltenden Umsatzsteuersatz von 16 % bzw. 5 % ausgewiesen wird. Der Leistungsempfänger kann den angegebenen Umsatzsteuerbetrag unter den übrigen Voraussetzungen als Vorsteuer abziehen, nachdem die Rechnung vorliegt und soweit der Rechnungsbetrag gezahlt worden ist.
Es ergeben sich folgende Szenarien:
Leistungszeitraum endet … |
Abschlagsrechnung wird gestellt … |
Steuersatz Abschlagsrechnung (bei Anwendung allg. Umsatzsteuersatz) |
Steuersatz Schlussrechnung (bei Anwendung allg. Umsatzsteuersatz) |
Vor dem 1.7.2020 |
Juni 2020 |
19 % |
19 % |
Nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021 |
Juni 2020 |
19 % aus Vereinfachungsgründen auch wahlweise: 16 % |
16 % |
Zwischen 1.7.2020 und 31.12.2020 |
16 % |
16 % |
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Nach dem 31.12.2020 |
Bis 30.6.2020 |
19 % |
19 % |
Zwischen 1.7.2020 und 31.12.2020 |
16 % aus Vereinfachungsgründen auch wahlweise: 19 % |
19 % |
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Nach dem 31.12.2020 |
19 % |
19 % |
Ebenso wird es bei Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (so bei bestimmten Bauleistungen) nicht beanstandet, wenn eine vor dem 1.7.2020 vereinnahmte Abschlagszahlung für eine nach dem 30.6.2020 ausgeführte Leistung dem Umsatzsteuersatz von 16 % bzw. 5 % unterworfen wird.