Steuerblick März 2022

Viertes Corona-Steuerhilfegesetz liegt im Entwurf vor

Das Bundeskabinett hat am 16.2.2022 den Entwurf des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes vorgelegt. Dieser geht nun in das Gesetzgebungsverfahren ein. Vorgesehen sind folgende – durchweg entlastende – Änderungen:

  • Nach wie vor besteht noch die Möglichkeit zur Auszahlung einer steuerfreien „Corona-Prämie“. So sind in der Zeit vom 1.3.2020 bis zum 31.3.2022 gewährte Beihilfen und Unterstützungen in Form von Zuschüssen und Sachbezügen, welche vom Arbeitgeber auf Grund der Corona-Krise an seine Arbeitnehmer geleistet werden, bis zu einem Betrag von 1 500 € steuerfrei. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Beihilfen und Unterstützungen zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Der Betrag von 1 500 € kann insgesamt nur einmal innerhalb dieses Zeitraums in Anspruch genommen werden, die Auszahlung ist aber in mehreren Teilbeträgen möglich.
  • Nun wird ergänzend eine Steuerfreiheit für vom Arbeitgeber auf Grund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen gewährter Sonderleistungen zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise in bestimmten Einrichtungen eingeführt. Begünstigt sind Arbeitnehmer insbesondere in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten. Insoweit können Prämien bis zu einem Betrag von 3 000 € steuerfrei Dies gilt für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 18.11.2021 bis zum 31.12.2022 geleistete Zahlungen. Die Steuerbefreiung gilt entsprechend für Personen, die an den betroffenen Einrichtungen im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung oder im Rahmen eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags eingesetzt sind.
  • Die Steuerbefreiung für Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld zur Aufstockung bis auf 80 % des Soll-Entgelts soll um drei Monate bis Ende Juni 2022 verlängert werden.
  • Die bestehende Regelung zur Home-Office-Pauschale soll um ein Jahr bis zum 31.12.2022 verlängert werden. Insoweit bietet es sich an, bereits beginnend für Januar 2022 eine formlose Aufstellung der Tage zu erstellen, an denen die Tätigkeit ausschließlich im Home-Office ausgeübt wird. Die Pauschale beträgt für jeden Kalendertag 5 €, höchstens insgesamt 600 € im Jahr.
  • Die befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für die Anschaffung oder Herstellung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens ist nach derzeitigem Gesetzesstand nur möglich gewesen für Wirtschaftsgüter, die bis zum 31.12.2021 angeschafft oder hergestellt worden sind. Diese Regelung soll nun um ein Jahr verlängert werden, also für Anschaffungen/Herstellungen bis zum 31.12.2022 gelten.

Hinweis:

Nach dem Koalitionsvertrag sollen Investitionen für Klimaschutz und in digitale Wirtschaftsgüter in den Jahren 2022 und 2023 durch eine „Investitionsprämie“ gefördert werden. Gesprochen wird auch von einer „Superabschreibung“. Dieses Vorhaben wird nach derzeitigem Stand nicht Inhalt des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes sein, sondern soll in einem separaten Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden. Insoweit bleibt auch die genaue Ausgestaltung noch offen. Nach wie vor besteht allerdings auch aktuell die Möglichkeit – auf Grund der Anweisung der FinVerw – bei bestimmter EDV-Hard- und Software die Nutzungsdauer mit einem Jahr anzusetzen und damit eine „Sofortabschreibung“ zu bewirken, also die Anschaffungskosten unmittelbar steuermindernd geltend zu machen.

  • Die Möglichkeit, steuerliche Verluste mit Gewinnen früherer Jahre zu verrechnen und damit unmittelbar steuerlich geltend zu machen (sog. Verlustrücktrag) wird erweitert. Die aktuell schon geltenden, erhöhten Werte für den Verlustrücktrag von 10 Mio. € bzw. 20 Mio. € bei Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer sollen auch für Verluste in 2022 und in 2023 Bestand haben. Der Verlustrücktrag wird darüber hinaus ab 2022 dauerhaft auf zwei Jahre ausgeweitet und erfolgt in die unmittelbar vorangegangenen beiden Jahre. Das heißt, Verluste des Jahres 2022 können sowohl in das Jahr 2021 als auch in das Jahr 2020 zurückgetragen werden. Damit werden die steuerlichen Entlastungen bei kurzfristigen Verlustphasen deutlich ausgedehnt. Für im Jahr 2021 entstandene Verluste soll es aber bei dem einjährigen Verlustrücktrag, also nur in das Jahr 2020, verbleiben.
  • Die Erweiterung des Verlustrücktrags soll gleichermaßen für die Körperschaftsteuer gelten, sie kommen also auch Kapitalgesellschaften wie der GmbH zu Gute.

Hinweis:

Generell entfaltet der Verlustrücktrag nur und insoweit steuerliche Wirkung, als in dem Rücktragsjahr ausreichende positive steuerliche Einkünfte erwirtschaftet worden sind. Dies muss individuell geprüft werden.

  • Die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen soll erneut verlängert werden. Vorgesehen sind folgende Abgabefristen:
Steuerjahrberatene Stpfl.nicht beratene Stpfl.
202031.8.2022 (statt: 31.5.2022)31.10.2021
202130.6.2023 (statt: 28.2.2023)30.9.2022 (statt: 31.7.2022)
202230.4.2024 (statt: 29.2.2024)31.8.2023 (statt: 31.7.2023)
  • (Erweiterte Fristen gelten bei best. Land- und Forstwirten.)
  • Entsprechend werden auch die Fristen angepasst, innerhalb derer eine nachträgliche Anpassung der Vorauszahlungen erfolgen kann. Damit bleibt länger Zeit, um die Vorauszahlungen auf Antrag des Stpfl. an geringere Einkünfte anzupassen oder auch zur Vermeidung hoher Nachzahlungen Vorauszahlungen zu erhöhen.

Hinweis:

Zu beachten ist, dass es im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch zu Änderungen kommen kann.


Überbrückungshilfe IV für freiwillige Geschäftsschließung verlängert

Auch im Februar 2022 beeinträchtigen freiwillige Schließungen oder Einschränkungen des Geschäftsbetriebs die Förderberechtigung ausnahmsweise nicht, wenn eine Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs wegen Corona-Zutrittsbeschränkungen (3G, 2G, 2G Plus) unwirtschaftlich wäre. Diese Ausnahmeregelung war vorerst bis zum 31.1.2022 befristet, gilt aber jetzt zunächst bis zum 28.2.2022.

Zu beachten sind insoweit die Nachweisanforderungen. Hierzu wird in den FAQ zur Überbrückungshilfe IV ausgeführt:

  • Freiwillige Schließungen oder Einschränkungen des Geschäftsbetriebs, weil eine Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs infolge von angeordneten Corona-Zutrittsbeschränkungen (3G, 2G, 2G Plus) unwirtschaftlich wäre, schließen die Annahme eines Corona-bedingten Umsatzeinbruchs nicht aus und beeinträchtigen die Förderberechtigung ausnahmsweise nicht.
  • Der Antragsteller hat die wirtschaftlichen Beweggründe der freiwilligen Schließung oder Einschränkung des Geschäftsbetriebs dem prüfenden Dritten gegenüber glaubhaft darzulegen. Dabei legt er dar, inwiefern staatliche Corona-Zutrittsbeschränkungen oder vergleichbare Maßnahmen (Verbot touristischer Übernachtungen, Sperrstundenregelungen) seinen Geschäftsbetrieb wirtschaftlich beeinträchtigen.
  • Der prüfende Dritte prüft die Angaben der Antragstellenden auf Nachvollziehbarkeit und Plausibilität und nimmt die Angaben zu seinen Unterlagen. Auf Nachfrage der Bewilligungsstelle legt der prüfende Dritte die Angaben des Antragstellers der Bewilligungsstelle vor. Diese Regelung gilt zunächst für den Zeitraum 1.1.2022 bis 28.2.2022.

Handlungsempfehlung:

Nach wie vor bietet die Überbrückungshilfe eine sinnvolle Unterstützung. Für den Einzelfall sind die Voraussetzungen für die Anwendung zu prüfen und die Nachweisanforderungen zu erfüllen. Die Überbrückungshilfe IV wird nun bis zum 30.6.2022 verlängert. Ob die vorstehende Ausnahmeregelung nochmals verlängert wird, ist aktuell noch offen.


Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen)

Entnimmt der Stpfl. aus dem Unternehmen Waren für seinen privaten Verbrauch, so ist diese Entnahme bei der Gewinnermittlung gewinnerhöhend zu berücksichtigen, um den vorherigen Betriebsausgabenabzug beim Warenbezug zu kompensieren. Ebenfalls sind die Entnahmen der Umsatzsteuer zu unterwerfen, da beim zuvor erfolgten Warenbezug auch Vorsteuern geltend gemacht wurden. Für bestimmte Einzelhandelsgeschäfte und Gaststätten hat die FinVerw Pauschalbeträge festgesetzt, welche vom Stpfl. angesetzt werden können, so dass Einzelaufzeichnungen entbehrlich werden. Diese Pauschalsätze beruhen auf Erfahrungswerten und bieten dem Stpfl. die Möglichkeit, die Warenentnahmen monatlich pauschal zu verbuchen. Im Einzelnen sind folgende Besonderheiten zu beachten:

  • Der Ansatz von Pauschalwerten dient der Vereinfachung und lässt keine Zu- und Abschläge wegen individueller persönlicher Ess- oder Trinkgewohnheiten zu. Auch Krankheit oder Urlaub rechtfertigen keine Änderungen der Pauschbeträge.

Hinweis:

Werden Betriebe jedoch nachweislich auf Grund einer landesrechtlichen Verordnung, einer kommunalen Allgemeinverfügung oder einer behördlichen Anweisung vollständig wegen der Corona-Pandemie geschlossen, kann in diesen Fällen ein zeitanteiliger Ansatz der Pauschbeträge erfolgen.

  • Die Pauschbeträge sind Jahreswerte für eine Person. Für Kinder bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr entfällt der Ansatz eines Pauschbetrags. Bis zum vollendeten 12. Lebensjahr ist die Hälfte des jeweiligen Wertes anzusetzen. Tabakwaren sind in den Pauschbeträgen nicht enthalten. Soweit diese entnommen werden, sind die Pauschbeträge entsprechend zu erhöhen (Schätzung).
  • Bei gemischten Betrieben (Fleischerei/Metzgerei oder Bäckerei mit Lebensmittelangebot oder Gastwirtschaft) ist nur der jeweils höhere Pauschbetrag der entsprechenden Gewerbeklasse anzusetzen.

Das BMF hat mit Schreiben v. 20.1.2022 (Az. IV A 8 – S 1547/19/10001 :003) die für das Jahr 2022 geltenden Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) bekannt gegeben. Danach sind die Werte, wie in der Übersicht dargestellt, für ertragsteuerliche sowie umsatzsteuerliche Zwecke anzusetzen.

Gewerbezweig  Jahreswert für eine Person ohne Umsatzsteuer
 7 % USt19 % UStinsgesamt
Bäckerei1 394 €268 €1 662 €
Fleischerei/Metzgerei1 240 €537 €1 777 €
Gaststätten aller Art       
a) mit Abgabe von kalten Speisen1 521 €588 €2 109 €
b) mit Abgabe von kalten und warmen Speisen2 646 €755 €3 401 €
Getränkeeinzelhandel103 €294 €397 €
Café und Konditorei1 342 €550 €1 892 €
Milch, Milcherzeugnisse, Fettwaren und Eier (Einzelhandel)601 €90 €691 €
Nahrungs- und Genussmittel (Einzelhandel)1 163 €588 €1 751 €
Obst, Gemüse, Südfrüchte und Kartoffeln (Einzelhandel)320 €218 €538 €

Handlungsempfehlung:

Die Werte sind gegenüber dem Stand für die zweite Jahreshälfte 2020 teilweise merklich verändert und zwar sowohl nach oben als auch nach unten. Oftmals werden die Pauschalbeträge für Sachentnahmen monatlich durch automatisch hinterlegte Buchungen angesetzt. Ab Januar 2022 sind diese wiederkehrenden Buchungen zu überprüfen und der Buchungsbetrag anzupassen. Sind bereits Buchungen für Januar und Februar 2022 vorgenommen worden, so sind diese zu überprüfen und ggf. an die geänderten Werte anzupassen.


Übertragung von Immobilienvermögen gegen wiederkehrende Versorgungsleistungen

Der BFH hatte über einen vielfach anzutreffenden Fall zu entscheiden, der sich im Kern wie folgt darstellte: Ein vermietetes Mehrfamilienhaus wurde „unentgeltlich“ im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Vater auf die Tochter übertragen. Diese verpflichtete sich zur Leistung einer lebenslangen monatlichen Zahlung an den Vater. Strittig war nun, ob diese Zahlungen der Tochter als Werbungskosten abzugsfähig sind.

Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass ausdrücklich geregelt ist, dass die Versorgungsleistungen aber als Sonderausgaben abzugsfähig sind und beim Empfänger diese nur mit einem bestimmten Anteil (Ertragsanteil) zu versteuern sind, wenn die Übertragung betrieblicher Einheiten – so insbesondere Betriebe oder Teilbetriebe, Anteile an Personengesellschaften und Anteile an einer GmbH unter bestimmten Bedingungen – gegen Versorgungsleistungen steuerlich als unentgeltlicher Vorgang fingiert wird. Der BFH stellt nun aber mit seiner Grundsatzentscheidung vom 29.9.2021 (Az. IX R 11/19) klar:

  • Die Übertragung von Vermögen gegen Versorgungsleistungen wird nur im Anwendungsbereich der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, also bei der Übertragung bestimmter betrieblicher Einheiten, als unentgeltlich eingestuft. Wird nach dieser Vorschrift nicht begünstigtes Vermögen übertragen, liegt ertragsteuerrechtlich eine entgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung vor.
  • Bei Übertragung eines Vermietungsobjekts des Privatvermögens gegen Leibrente führen die wiederkehrenden Leistungen des Übernehmers an den Übergeber in Höhe ihres Barwerts zu Anschaffungskosten, die mit den Abschreibungen berücksichtigt werden, und in Höhe ihres Zinsanteils zu sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die vorstehende Übertragung des vermieteten Mehrfamilienhauses „unentgeltlich im Wege der Schenkung“, aber unter Zusage einer lebenslangen monatlich zu zahlenden Leistung, war zivilrechtlich als Schenkung (unter Auflage) zu qualifizieren. Bei den von der Stpfl. erbrachten „Gegenleistungen“ handelt es sich zivilrechtlich um Schenkungsauflagen. Einkommensteuerlich handelt es sich aber um ein teilentgeltliches Geschäft, ungeachtet des Umstands, dass im Einzelfall widerlegbar vermutet wird, dass eine im Angehörigenverhältnis vereinbarte Gegenleistung unabhängig vom Wert der übertragenen Vermögenswerte nach dem Versorgungsbedürfnis der Eltern und/oder nach der Ertragskraft des übertragenen Vermögens bemessen worden ist und mithin einen familiären, unentgeltlichen Charakter hat.

Steuerlich hat dies nun folgende Konsequenzen: Ist, wie im Streitfall, der Anwendungsbereich des Sonderrechts für die Übertragung betrieblicher Einheiten gegen lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen nicht eröffnet, ist steuerrechtlich von einer teilentgeltlichen Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Leistungen auszugehen. Nutzt der Übernehmer übertragenes Vermögen zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, führen von ihm geschuldete und an den Übergeber entrichtete wiederkehrende Leistungen in Höhe ihres Barwerts zu Anschaffungskosten und mithin über Abschreibungen zu ratierlichen Werbungskosten; der enthaltene Zinsanteil der wiederkehrenden Leistungen ist ebenfalls als Werbungskosten abziehbar.

Hinsichtlich der Abschreibung des Vermietungsobjektes ist somit zu unterscheiden:

  • Soweit der Barwert der zu entrichtenden Versorgungsleistungen zu Anschaffungskosten führt, bilden diese die Bemessungsgrundlage der Abschreibungen.
  • Soweit die Stpfl. das übergebene Vermögen im Übrigen unentgeltlich erworben hat, hat sie keine eigenen Anschaffungskosten getragen. Insoweit bemisst sich ihre Abschreibung nach den (anteiligen) Anschaffungs- und Herstellungskosten des Rechtsvorgängers. Die Erwerberin muss insoweit nicht nur die AfA-Bemessungsgrundlage des Rechtsvorgängers fortführen, sondern ihr steht auch nur das insoweit vorhandene AfA-Volumen zur Verfügung. Hinsichtlich des unentgeltlichen Teils ist somit der AfA-Zeitraum geringer als bei dem entgeltlich erworbenen Anteil.

Hinweis:

Die Teilentgeltlichkeit erfordert auf Seiten des Übertragenden die Prüfung eines etwaigen steuerlich zu erfassenden Veräußerungsgewinns. Dies ist bei einem Vermietungsobjekt aber regelmäßig nur dann gegeben, wenn zwischen Erwerb und Übertragung ein Zeitraum von weniger als zehn Jahren liegt.


Beherrschungsidentität bei mittelbarer Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an einer Besitz-Personengesellschaft – Änderung der Rechtsprechung

Im Streit stand wieder einmal die Frage, ob die erweiterte Grundstückskürzung zu gewähren ist. Stark vereinfacht ermöglicht diese bei einer ausschließlich grundbesitzverwaltenden Gesellschaft eine Vermeidung der Belastung mit Gewerbesteuer. Allerdings sind die Anwendungsvoraussetzungen für diese Regelung sehr eng gesteckt. Im Urteilsfall bestanden Schwester-Personengesellschaften, zwischen denen eine Grundstücksüberlassung gegeben war. Allerdings bestand keine Gesellschafteridentität zwischen beiden Gesellschaften. Die Beteiligung an der operativ tätigen Gesellschaft wurde nur über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft gehalten und auch bei der den Grundbesitz besitzenden Gesellschaft konnten die die operativ tätige Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter ihren unternehmerischen Willen nur mittelbar über die Komplementär-GmbH durchsetzen.

Der BFH versagte nun mit Urteil vom 16.9.2021 (Az. IV R 7/18) die erweiterte Grundstückskürzung bei der Gewerbesteuer. Brisanz entfaltet dieses Urteil aber im Kern hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen für eine steuerliche Betriebsaufspaltung. Weil es eine solche vorliegend als gegeben ansah, verneinte das Gericht die gewerbliche Grundstückskürzung deshalb, denn die steuerliche Betriebsaufspaltung schließt generell die erweiterte Grundstückskürzung aus. Im Urteilsfall wurde offensichtlich die Beteiligtenstruktur so gewählt, dass unter Anwendung der bisherigen Rechtsprechung die Voraussetzungen für eine steuerliche Betriebsaufspaltung gerade nicht gegeben waren. Bislang verneinte die Rechtsprechung eine Beherrschung der Besitz-Personengesellschaft und somit eine personelle Verflechtung nämlich dann, wenn die Gesellschafter an dieser nur mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Insoweit wurde davon ausgegangen, dass die Kapitalgesellschaft einen Durchgriff nicht erlaubt.

Von dieser Rechtsprechung wird nun abgewichen. Bereits bislang akzeptierte die Rechtsprechung einen Durchgriff durch eine Beteiligungs-Kapitalgesellschaft im Hinblick auf die Beherrschung der operativ tätigen Betriebsgesellschaft. Dies wird nun auch auf Seiten der Besitzgesellschaft so gesehen, so dass die bisher zur personellen Verflechtung vertretene Unterscheidung zwischen einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft am Betriebsunternehmen und einer solchen am Besitzunternehmen in der Rechtsform einer Personengesellschaft entfällt.

Handlungsempfehlung:

Strukturen, nach denen bislang eine steuerliche Betriebsaufspaltung mittels abschirmender Kapitalgesellschaft zwischen Gesellschafter und Besitz-Personengesellschaft vermieden wurde, stehen nun auf dem Prüfstand. Solche Fälle müssen geklärt und ggf. anders strukturiert werden. In diesen Fällen sollte stets steuerlicher Rat eingeholt werden.


Mögliche Verfassungswidrigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste

Gesetzlich ist bestimmt, dass Verluste aus Aktienverkäufen ausschließlich mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden können. Im Übrigen können solche Verluste nicht mit anderen Kapitaleinkünften verrechnet werden; lediglich ein Vortrag in spätere Jahre und eine dortige Verrechnung mit Gewinnen aus Aktienverkäufen ist möglich. Ob diese Verlustverrechnungsbeschränkung verfassungsgemäß ist, ist strittig. Insofern ist unter dem Az. 2 BvL 3/21 ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig.

Nun teilt die FinVerw mit, dass noch offene Einkommensteuerfestsetzungen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste vorläufig durchzuführen sind. Insoweit bedarf es also keines Einspruchs, um von einer möglicherweise gerichtlich festgestellten Verfassungswidrigkeit profitieren zu können.

Handlungsempfehlung:

In der Praxis ist allerdings zu beachten, dass solche Verluste aus Aktienverkäufen in der Steuererklärung zwingend erklärt werden müssen, um die Chance auf eine mögliche Verrechnung mit anderen Kapitaleinkünften zu wahren. Insofern sollten ggf. Änderungsanträge für noch offene Veranlagungen geprüft werden. Ebenso muss geprüft werden, ob bereits ergangene Veranlagungen durch Einspruch offen gehalten werden müssen, falls insoweit noch kein Vorläufigkeitsvermerk von der FinVerw erteilt wurde.