Steuerblick Juni 2022

Bundesregierung bringt zweites Entlastungspaket auf den Weg

Die Koalitionsfraktionen haben sich in Anbetracht der deutlich gestiegenen Energiepreise auf ein umfassendes Maßnahmenpaket geeinigt, um Bürgerinnen und Bürger und auch Familien zu entlasten. Die gesetzgeberische Umsetzung ist nun erfolgt bzw. die Verkündung der entsprechenden Gesetze erfolgt kurzfristig.

Vorgesehen ist im Einzelnen:

  • Energiepreispauschale (EPP): Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen wird einmalig eine EPP in Höhe von 300 € gewährt. Im Einzelnen gilt:
  • Anspruch auf die EPP haben mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, die Lohneinkünfte aus einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis beziehen und in die Steuerklassen I bis V eingereiht sind oder als geringfügig Beschäftigte pauschal besteuert (Mini-Job) werden. Ebenso begünstigt sind Stpfl., die Einkünfte aus den Gewinneinkunftsarten (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und aus selbständiger Tätigkeit) beziehen. Nicht begünstigt sind also Stpfl., die ausschließlich eine Rente, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen beziehen. Ebenso sind Grenzgänger nach derzeitigem Stand nicht begünstigt.
  • Im Grundsatz wird die EPP in der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2022 festgesetzt. Dies wird durch das Finanzamt erfolgen und bedarf keinerlei Erklärungen des Stpfl.
  • Die Auszahlung an Arbeitnehmer erfolgt allerdings bereits mit der Lohnabrechnung für September, soweit der Stpfl. am 1.9.2022 in einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis steht und in die Steuerklassen I bis V eingereiht ist oder als geringfügig Beschäftigter pauschal besteuert (Mini-Job) wird und der Arbeitnehmer schriftlich bestätigt hat, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt. Arbeitnehmer, die nicht hierunter fallen, müssen die EPP mittels Einkommensteuerveranlagung für 2022 geltend machen, also bspw. dann, wenn im September kein Arbeitsverhältnis besteht.
  • Ist eine Einkommensteuer-Vorauszahlung für Gewinneinkünfte zum 10.9.2022 festgesetzt, so wird diese vom Finanzamt um 300 € herabgesetzt, so dass eine Liquiditätsentlastung schon kurzfristig erfolgt und nicht erst dann, wenn die Einkommensteuerveranlagung für 2022 erfolgt ist.
  • Die EPP ist steuerpflichtig. Bei Arbeitnehmern werden insoweit die Lohneinkünfte um 300 € erhöht. Bei anderen begünstigten Stpfl. werden in der späteren Einkommensteuerveranlagung sonstige Einkünfte i.H.v. 300 € angesetzt. Im Ergebnis vermindert sich damit die effektive Entlastung um die auf diesen Betrag anfallende individuelle Steuerbelastung. Sozialversicherungspflichtig ist die EPP dagegen nicht.

Hinweis:

Insbesondere Arbeitnehmer erhalten also mit der Lohnabrechnung für September automatisch die EPP. Der Auszahlungsbetrag hängt dabei von der steuerlichen Situation des Arbeitgebers ab, da die EPP selbst als steuerpflichtiger Arbeitslohn eingestuft wird, hierauf also Lohnsteuer anfallen kann (eine Erfassung bei der Sozialversicherung erfolgt nicht). Bei geringen Einkünften fällt ggf. keine Lohnsteuer an, so dass die EPP in vollem Umfang zur Auszahlung kommt.

  • Kinderbonus 2022: Zur Abfederung besonderer Härten für Familien auf Grund gestiegener Energiepreise soll im Jahr 2022 ein Kinderbonus gezahlt werden. Dazu wird das Kindergeld im Juli 2022 um einen Einmalbetrag i.H.v. 100 € erhöht. Die Auszahlung soll zeitnah zu den Auszahlungsterminen des Kindergelds für den Monat Juli 2022 erfolgen. Der Kinderbonus 2022 wird automatisch von der zuständigen Familienkasse ausgezahlt. Er muss in der Regel nicht beantragt werden. Der Kinderbonus 2022 ist bei Sozialleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
  • Befristete Absenkung der Energiesteuer: Um die Belastung von Bürgern und Unternehmen durch die deutlich gestiegenen Kraftstoffpreise abzufedern, sollen die Energiesteuersätze für die hauptsächlich im Straßenverkehr verwendeten Kraftstoffe befristet für den Zeitraum vom 1.6.2022 bis 31.8.2022 auf die Höhe der Mindeststeuersätze der EU-Energiesteuerrichtlinie abgesenkt werden. Die befristete Absenkung der Energiesteuer auf das europäische Mindestmaß wirkt sich im Einzelnen wie folgt aus: Für Benzin reduziert sich der Steuersatz um 29,55 ct/Liter, für Dieselkraftstoff um 14,04 ct/Liter, für Erdgas (CNG/LNG) um 4,54 €/MWh (entspricht ca. 6,16 ct/kg) und für Flüssiggas (LPG) um 238,94 €/1 000 kg (entspricht ca. 12,66 ct/Liter). Offen ist, ob diese Absenkung der Energiesteuern vollständig an die Endverbraucher weitergegeben wird.
  • Das vergünstigte ÖPNV-Monatsticket für nur 9 € pro Monat, was insbesondere für Pendler interessant sein dürfte, soll für den Zeitraum vom 1.6. bis 31.8.2022 gelten. Auch bei bereits bestehenden Abos für den ÖPNV sollen die monatlichen Kosten in dem Zeitraum auf 9 € pro Monat reduziert werden. Der Werbungskostenabzug bleibt trotz geringerer Aufwendungen im Übrigen unverändert, da die Entfernungspauschale gilt.

Hinweis:

Die diesbezüglichen Gesetzgebungsverfahren sind mittlerweile abgeschlossen.


Häusliches Arbeitszimmer: Berücksichtigung von Aufwendungen bei sog. Drittaufwand

Die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer sind grundsätzlich nur unter bestimmten Voraussetzungen und ggf. gedeckelt auf den Höchstbetrag von 1 250 € steuerlich abzugsfähig. Darüber hinaus ist erforderlich, dass es sich bei den Kosten um eigene Verbindlichkeiten des Stpfl. handelt und er diese selbst bestritten hat. Liegt hingegen Drittaufwand vor, also Aufwand, den ein Dritter getragen hat, ist dieser nicht abzugsfähig, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stpfl. insoweit nicht gemindert wurde. Bedeutung hat dies insbesondere bei grundstücksbezogenen Kosten. Insoweit ist bei der Abgrenzung zu differenzieren, wie nun nochmals die FinVerw mit Erlass des Finanzsenators Bremen vom 22.2.2022 (Az. 900-S 2145-1/2014-1/2016-1586061/2021) verdeutlicht.

Eigenes Wohneigentum:

  • Für grundstücksorientierte Aufwendungen, wie z.B. Gebäudeabschreibung, Schuldzinsen, Grundsteuer und Versicherungen gilt: Diese können bei Miteigentum (wenn z.B. beide Ehegatten gemeinsam Eigentümer des Hauses oder der Eigentumswohnung sind) nur in Höhe des Miteigentumsanteils des das Arbeitszimmer nutzenden Ehegatten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geltend gemacht werden.
  • Für nutzungsorientierte Aufwendungen, wie z.B. Reinigungskosten, Renovierungskosten für das Arbeitszimmer, anteilige Energie- und Wasserkosten gilt: Diese sind steuerlich dem zuzurechnen, der sie finanziell getragen hat. In der Folge sind entsprechende Aufwendungen, die von einem gemeinsamen Konto gezahlt werden, in voller Höhe abzugsfähig, soweit sie anteilig auf das Arbeitszimmer entfallen.

 Mietobjekt:

Mietzahlungen sind den grundstücksorientierten Aufwendungen zuzurechnen. Maßgebend für die Berücksichtigung ist, unabhängig von der Zahlung, wer diese schuldet:

  • Beide Ehegatten/Lebenspartner sind Schuldner der Mietaufwendungen und die Zahlungen erfolgen vom gemeinsamen Konto: Soweit der Nutzungsumfang des häuslichen Arbeitszimmers nicht mehr als die Hälfte der gesamten Wohnfläche beträgt, kann der das Arbeitszimmer nutzende Stpfl. die auf die betriebliche/berufliche Nutzung entfallenden Aufwendungen in vollem Umfang als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geltend machen. Beträgt die Nutzfläche des häuslichen Arbeitszimmers mehr als die Hälfte der gesamten Wohnfläche, sind die gemeinsam getragenen Mietaufwendungen als grundstücksorientierte Aufwendungen lediglich hälftig zu berücksichtigen. Die nutzungsorientierten Aufwendungen sind weiterhin – soweit sie auf das Arbeitszimmer entfallen – vollständig zu berücksichtigen.
  • Der nicht nutzende Ehegatte/Lebenspartner ist Schuldner der Mietaufwendungen und die Zahlungen erfolgen vom gemeinsamen Konto: Ist der nicht nutzende Ehegatte/Lebenspartner der alleinige Schuldner der Aufwendungen, liegt Drittaufwand vor, der steuerlich nicht berücksichtigt werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung vom gemeinsamen Konto erfolgt.
  • Der nutzende Ehegatte/Lebenspartner zahlt die Aufwendungen vom eigenen Konto: Zahlt der nutzende Ehegatte/Lebenspartner die Mietaufwendungen vom alleinigen Konto, liegt, unabhängig von der Frage, wer die Aufwendungen schuldet, abziehbarer Eigenaufwand vor.

 Getrennte häusliche Arbeitszimmer innerhalb eines Objekts:

Weiterhin gilt nach den Ausführungen der FinVerw, dass wenn in einem Objekt für mehrere Stpfl. getrennte Arbeitszimmer vorliegen, jedem von ihnen der Höchstbetrag von 1 250 € zusteht. Stellt das häusliche Arbeitszimmer für einen der Stpfl. den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen/beruflichen Tätigkeit dar, so können die von ihm selbst getragenen Aufwendungen in voller Höhe abgezogen werden. Die Voraussetzungen der Abzugsbeschränkung sind personenbezogen zu prüfen.

Hinweis:

Diese Grundsätze gelten auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Die Zuordnung der Aufwendungen zu einer Person wird jedoch nur dann erforderlich, wenn diese von einem gemeinsamen Konto bezahlt werden.

Handlungsempfehlung:

Deutlich wird, dass insbesondere bei Mietobjekten entscheidend sein kann, von wessen Konto die Aufwendungen beglichen werden.


Schlussabrechnung zu den Corona-Hilfen

Die Anträge auf Überbrückungshilfen sowie November- und Dezemberhilfen wurden häufig auf Basis von Umsatzprognosen und prognostizierten Kosten bewilligt. Auf Grundlage der tatsächlichen Umsatzzahlen und Fixkosten erfolgen ab Mitte Mai 2022 bis 31.12.2022 die Schlussabrechnungen. Die Einreichung einer Schlussabrechnung ist zwingend. Ohne Einreichung der Schlussabrechnungen müssen die Unternehmen die jeweils gezahlten Corona-Hilfen in voller Höhe zurückzahlen. Dabei werden in einem ersten „Paket“ die Schlussabrechnung für die Überbrückungshilfen I-III sowie die November- und Dezemberhilfen zusammengefasst für das Unternehmen vorgenommen.

Die Schlussabrechnung ist von dem prüfenden Dritten einzureichen. Dabei sind die realisierten Umsätze und die tatsächlichen Fixkosten zu berücksichtigen. Nach Prüfung durch die Bewilligungsstelle wird im Schlussbescheid eine endgültige Förderhöhe mitgeteilt. Das kann zu einer Bestätigung der erhaltenen Mittel, aber auch zu einer Nach- oder Rückzahlung führen.

Handlungsempfehlung:

Seit dem 5.5.2022 kann die Schlussabrechnung für die Überbrückungshilfen I-III sowie die November- und Dezemberhilfen (sog. Paket 1) durch prüfende Dritte eingereicht werden. Die Schlussabrechnung ist spätestens bis zum 31.12.2022 einzureichen.


Gewerbesteuerberechnung: Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen

Die Obersten Finanzbehörden der Länder reagieren auf diverse Entscheidungen des BFH zu Fragen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung, insbesondere zur Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen. In der Praxis haben diese Hinzurechnungen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer vielfach eine große Bedeutung. Erfasst werden – mit unterschiedlichen Anteilen – Miet- und Pachtzinsen sowie Leasingraten sowohl für Geschäftsräume als auch für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen.

Aus den gleichlautenden Erlassen vom 6.4.2022 sind folgende Aspekte herauszustellen:

  • Eine Hinzurechnung von Aufwendungen, die am Bilanzstichtag als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Anlage- oder Umlaufvermögens aktiviert wurden, erfolgt nicht. Losgelöst hiervon unterbleibt in Fällen bereits unterjährig ausgeschiedener Wirtschaftsgüter eine Hinzurechnung für solche Aufwendungen, die als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte. Dies betrifft insbesondere den Einsatz von gemieteten Baugeräten oder Baustelleneinrichtung durch Baufirmen, welche mit diesen Bauleistungen erbringen.
  • Miet- und Pachtzinsen werden dann für die Benutzung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gezahlt, wenn die Wirtschaftsgüter für den Fall, dass sie im Eigentum des Mieters oder Pächters stünden, dessen Anlagevermögen zuzurechnen wären. Diese Fiktion muss sich jedoch soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Stpfl. orientieren und richtet sich nach dem jeweiligen konkreten Geschäftsgegenstand im betreffenden Einzelfall. Hierzu wurden folgende Fälle entschieden:
  • Pauschalreiseveranstalter: Die von einem Pauschalreiseveranstalter angemieteten Hotelzimmer und Hoteleinrichtungen stellen nach dessen Geschäftsgegenstand kein fiktives Anlagevermögen dar. Die angemieteten Wirtschaftsgüter werden nicht wie bei einem Hotelier zur dauerhaften Herstellung neuer Produkte (Übernachtung, Verpflegung, Veranstaltung) benötigt, sondern fließen als Teilprodukt in das jeweilige Kundenprodukt „Pauschalreise“ ein und verbrauchen sich mit der Durchführung der Reise.
  • Filmhersteller: Gehen angemietete Wirtschaftsgüter wie Filmlocations oder Ausstattungsgegenstände gewissermaßen in das „Produkt“ Film ein, weil sie nur in einem einzelnen Film verwendet werden können, so liegt kein Anlagevermögen vor. Kann das angemietete Wirtschaftsgut demgegenüber jedoch gleich einem Werkzeug für die Herstellung von verschiedenen Filmen verwendet werden, handelt es sich hierbei um fiktives Anlagevermögen.
  • Konzertveranstalter: Die von einem Konzertveranstalter angemieteten Veranstaltungsimmobilien sind seinem fiktiven Anlagevermögen zuzuordnen, da diese Wirtschaftsgüter nach dem Geschäftsgegenstand ständig für den Gebrauch vorzuhalten sind. Hierbei ist es unerheblich, ob mehrmals derselbe oder aber verschiedene mehr oder weniger vergleichbare Gegenstände angemietet werden und ob ein potenzieller Erwerb dieser Mietobjekte wirtschaftlich sinnvoll ist.

Hinweis:

Die FinVerw geht auf Aufwendungen für die Anmietung von Messestandplätzen nicht ein. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte urteilt zu Aufwendungen eines Produktionsbetriebs mit stehendem Vertriebsnetz für die Anmietung von Messestellplätzen, dass diese nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen.

Handlungsempfehlung:

In jedem Einzelfall sind die Hinzurechnungen zur Gewerbesteuer sorgfältig abzugrenzen. Dabei ist zu beachten, dass – für alle Zinshinzurechnungen zusammen – ein Freibetrag von 200 000 € gewährt wird.


Keine Umsatzsteuerbefreiung für eine Tanzschule

Das Niedersächsische FG hat mit Urteil vom 10.3.2022 (Az. 11 K 119/17) entschieden, dass sich weder aus dem nationalen Umsatzsteuerrecht noch aus dem Unionsrecht eine Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze aus dem Betrieb einer Tanzschule ergibt. Dies gilt jedenfalls für Umsätze aus Tanzkursen für Erwachsene („Welttanzprogramm“ und „Medaillenkurse“).

Im Urteilsfall war die Steuerbefreiung für die Umsätze aus den von der Stpfl. angebotenen Tanzkursen „Welttanzprogramm und Medaillentanzen“ streitig. Die Stpfl. betreibt in der Rechtsform einer GbR eine im Allgemeinen Deutschen Tanzlehrer Verband (ADTV) organisierte Tanzschule in A, die insbesondere Leistungen im Bereich „Medaillentanzen“ und „Welttanzprogramm I und II“ für Anfänger und Fortgeschrittene anbietet. Die Medaillentanzkurse (Deutsches Tanzabzeichen) bauen dabei auf dem Welttanzkurs auf.

Das Finanzgericht bestätigt die Vorgehensweise des Finanzamtes, welches eine Steuerbefreiung verneint hatte. Im Streitfall sei bereits zweifelhaft, inwieweit die der Stpfl. erteilte Bescheinigung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur geeignet ist, den Nachweis zu erbringen, dass sie im Streitzeitraum mit den Kursen „Welttanzprogramm“ und „Medaillentanzen“ Leistungen erbracht hat, die auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Ungeachtet dessen scheidet eine Steuerbefreiung schon deshalb aus, weil es sich bei den von der Stpfl. angebotenen Tanzkursen „Welttanzprogramm“ und „Medaillentanzen“ nicht um eine unmittelbar dem Schul- oder Bildungszweck dienende Leistung einer privaten Schule oder anderen allgemein- oder berufsbildenden Einrichtung handelt.

Die Stpfl. könnte sich auch nicht mit Erfolg unmittelbar auf die Steuerbefreiung der EU-Mehrwertsteuersystem-Richtlinie berufen. So hat der Europäische Gerichtshof zur unionsrechtlichen Regelung mit Urteil vom 21.10.2021 (Az. C-373/19) entschieden, dass ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht, wie z.B. Schwimmunterricht, für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht i.S.d. Mehrwertsteuersystemrichtlinie kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt und daher nicht von der Umsatzsteuer befreit ist. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass die in den Tanzkursen „Welttanzprogramm“ und „Medaillentanzen“ für Erwachsene vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten über einen spezialisierten, punktuell erteilten Unterricht hinausgehen.

Hinweis:

Diese Entscheidung liegt auf der Linie der aktuellen Rechtsprechung. Die Steuerbefreiung für Schul- und Hochschulunterricht wird zunehmend eng ausgelegt.


Kindergeld für ein langfristig erkranktes Kind bei fortbestehendem Ausbildungsverhältnis

Der BFH hat mit der Entscheidung vom 15.12.2021 (Az. III R 43/20) die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld an ein erkranktes Kind bei fortbestehendem Ausbildungsverhältnis weiter eingeschränkt. Entschieden wurde, dass

  • eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung ausscheidet, wenn Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses wegen einer nicht vorübergehenden Erkrankung unterbleiben. In Betracht kommt dann eine Berücksichtigung wegen Behinderung.
  • Eine Krankheit ist nicht vorübergehend, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine länger als sechs Monate dauernde Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Dies vor dem Hintergrund, dass Kindergeld für ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, nur dann gewährt wird, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Eine zur Berücksichtigung erforderliche Berufsausbildung liegt jedoch dann nicht mehr vor, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht. Diese Folge tritt aber dann nicht ein, wenn die Ausbildung infolge einer Erkrankung oder wegen der Schutzfristen vor und nach der Entbindung lediglich unterbrochen wird. Die Unterbrechung der Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses steht der Berücksichtigung allerdings nur dann nicht entgegen, wenn die Erkrankung vorübergehend ist. Unterbleiben Ausbildungsmaßnahmen wegen einer Erkrankung, so darf die gesundheitliche Beeinträchtigung regelmäßig nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern, wenn das Kind weiter wegen seiner Ausbildung berücksichtigt werden soll.

Handlungsempfehlung:

In der Praxis ist in diesen Fällen der Krankheitsverlauf sorgfältig zu dokumentieren. Bei einer länger anhaltenden Erkrankung ist die Berücksichtigung des Kindes wegen Behinderung zu prüfen.