Bundesfinanzhof: Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes für Steuerzinsen
Steuerzahlungen und -erstattungen werden grundsätzlich verzinst. Allerdings beginnt der Zinslauf grundsätzlich erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. So beginnt z.B. der Zinslauf für die Einkommensteuer 2016 am 1.4.2018. Die Verzinsung greift insbesondere dann, wenn sich die Erstellung der Steuererklärung oder auch deren Bearbeitung durch das Finanzamt deutlich verzögert oder wenn Korrekturen z.B. auf Grund einer später stattfindenden Betriebsprüfung erfolgen. Problematisch ist, dass der Zinssatz gesetzlich auf 6 % p.a. festgelegt ist. In Anbetracht des aktuell niedrigen Zinsniveaus kann dies in Nachzahlungsfällen zu beträchtlichen Zinsforderungen führen.
Mit Beschluss vom 25.4.2018 (Aktenzeichen IX B 21/18) hat der Bundesfinanzhof nun festgestellt, dass gegen die Höhe des gesetzlich festgelegten Zinssatzes – jedenfalls ab 2015 – schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Wegen der zu dieser Zeit bereits eingetretenen strukturellen und nachhaltigen Verfestigung des niedrigen Marktzinsniveaus entbehrt der Steuerzinssatz „der wirtschaftlichen Realität in erheblichem Maße“ und verstößt daher gegen das grundgesetzliche Gleichheitsgebot und Übermaßverbot. Im Urteilsfall ging es um Steuerzinsen in Höhe von 240 831 €. Das Gericht hat insoweit die Vollziehung des angefochtenen Zinsbescheids ausgesetzt.
Handlungsempfehlung:
Dieser Beschluss betrifft zwar nur ein Aussetzungsverfahren, ist aber ein wichtiger Richtungshinweis. Es ist zu erwarten, dass diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt wird. Dessen Entscheidung bleibt abzuwarten.
Für die Praxis bestätigt sich zunächst noch die Notwendigkeit, die Steuerverzinsung im Blick zu haben z.B. bei der Anpassung von Vorauszahlungen, der zeitlichen Steuerung der Abgabe der Jahreserklärung oder – im Hinblick auf Aussetzungszinsen in Höhe von ebenfalls 6 % – bei der Prüfung, ob Anträge auf Aussetzung der Vollziehung im Einspruchsverfahren angezeigt sind. In manchen Fällen können auch freiwillige Zahlungen an das Finanzamt, also vor Durchführung der Veranlagung, helfen, den Zinslauf zu stoppen.
Zu beachten ist insoweit auch, dass Steuererstattungszinsen als Kapitaleinkünfte der Besteuerung unterliegen, wohingegen Nachzahlungszinsen steuerlich nicht geltend gemacht werden können.