Der VIII. Senat des BFH hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass nach den gesetzlichen Vorgaben Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen.
Zum Hintergrund: Das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 hat die Besteuerung von Kapitalanlagen, die dem steuerlichen Privatvermögen zuzurechnen sind, grundlegend neu gestaltet. Durch die Zuordnung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (u.a. Aktien) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen unterliegen die dabei realisierten Wertveränderungen – also Gewinne und Verluste – in vollem Umfang und unabhängig von einer Haltefrist der Besteuerung. Allerdings ist die Geltendmachung von Verlusten in zweierlei Weise eingeschränkt:
- Da Einkünfte aus Kapitalvermögen grds. abgeltend mit einem speziellen Steuersatz von 25 % besteuert werden, ist gesetzlich vorgesehen, dass Verluste aus Kapitalvermögen nur mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden dürfen.
- Eine zusätzliche Verlustverrechnungsbeschränkung gilt für Verluste aus der Veräußerung von Aktien. Diese dürfen nicht mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern nur mit Gewinnen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden. Nach der Gesetzesbegründung sollen dadurch Risiken für den Staatshaushalt verhindert werden.
Im Streitfall hatte der Stpfl. aus der Veräußerung von Aktien ausschließlich Verluste erzielt. Er beantragte, diese Verluste mit seinen sonstigen Einkünften aus Kapitalvermögen, die nicht aus Aktienveräußerungsgewinnen bestanden, zu verrechnen. Nach Auffassung des BFH bewirkt die besondere Verlustverrechnungsbeschränkung für Verluste aus Aktienengagements eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, weil sie Stpfl. ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder anderer Kapitalanlagen erzielt haben. Eine Rechtfertigung für diese nicht folgerichtige Ausgestaltung der Verlustausgleichsregelung für Aktienveräußerungsverluste ergebe sich weder aus der Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen noch aus dem Gesichtspunkt der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen oder aus anderen außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszielen. Der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung komme als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht.
Handlungsempfehlung:
Ob das geltende Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist, muss nun das Bundesverfassungsgericht prüfen. Insoweit sollten Steuerfälle mit Verlusten aus Aktienverkäufen und gleichzeitig positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verfahrensrechtlich offengehalten werden, um ggf. von einer Bestätigung der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht profitieren zu können.